This text has been submitted as an original contribution to cinetext on Mai 9, 2005.
Beschleunigte Untote: Über das Auftreten lebender Toter im Film und die Transitionen eines Genres.
von Joachim Allgaier |
Debemur morti nos nostraque. (Wir und unser Habe sind dem Tode bestimmt.)
Horaz (Ars poetica 63)
Ein Cocktail trägt ihren Namen. Die Band The Cranberries haben einem bekannten Song nach ihnen benannt und eine Reihe weiterer Bands haben sie in ihre Namen oder Albumtitel aufgenommen. Michael Jackson lässt sie in seinem Thriller-Video als Staffage um sich tanzen. Und der Soziologe Ulrich Beck bezeichnet obsolete sozialwissenschaftliche Kategorien nach ihnen, die zwar nicht mehr zuträfen, aber in der gegenwärtigen Literatur weiterhin als untote Worthülsen ihr Unwesen trieben und nicht tot zu kriegen wären. Die Rede ist von Zombies – den lebenden Toten.
Unter anderem das Wahrig Fremdwörterbuch findet den Ursprung des Wortes in Westafrika im Wort Zumbi, das die Bedeutung eines „schönes Götzenbildes“ hat. Dazu Michael Jordan [1] in einem Kapitel über den Voodoo-Kult und lebende Tote:
„Although one of the most notorious and colourful elements of Voodoo has been the Zombie, the concept of this „living dead“ creature from whom the human soul has been raped away has been greatly romanticized and distorted. In reality, worshippers of Voodoo believe that when the human spirit has committed evil deeds during its temporal existence it can be placed into a permanent purgatory – as punishment. It is thus not the casual encounter with a Zombie that strikes fear into the hearts of believers, but the terror of becoming one in retribution for crimes. Since a zombified state can, it is understood, be achieved through sorcery, the priesthood is able to command immense control and respect. Research has indicated that Voodoo priests do indeed have secret recipes for portions that can induce a catatonic near-death state. The power of most of these concoctions lies in a paralysing nerve toxin known to be synthesized in the flesh of certain Caribbean inshore fish.“
Heute wird der Begriff des Zombies wesentlich vielschichtiger, säkularer und umgangssprachlicher verwendet. Das geht soweit, dass im New Oxford Dictionary das Verb to zombify seinen Eingang gefunden hat. Und beispielsweise in der Berichterstattung über Bildungsthemen hört man immer wieder von Zombie-Kids oder in anderen Meldungen von Patienten, die wie Zombies vor sich hin vegetieren. Im IT-Bereich lesen wir von Zombie-Computern, die durch versteckte Software erweckt und aus der Ferne kontrolliert werden können. Jeder scheint zu wissen was Zombies sind und was es ist das sie auszeichnet. Scheinbar kennt man Zombies vor allem aus Filmen, Musik, Printmedien und Computerspielen. Hier soll zunächst das Augenmerk auf das Aufkommen und unterschiedliche Gattungen lebender Toter im Film gerichtet werden und anschließend Verbindungen und Niederschlag in der gegenwärtigen Pop- und Medienkultur untersucht und angedacht werden.
Das Kabinett des Doktor Caligari
Das Kabinett des Dr. Calligari (Decla-Bioscope 1920).
Einen ersten Vorläufer des Filmzombies bekommt man in dem deutschen Schwarz-Weiss-Gruselfilm Das Kabinett des Doktor Caligari zu Gesicht, der 1919 von Robert Wiene gedreht wurde. Dort tauchte der ferngesteuerte Cesare auf, der unter dem hypnotischen Einfluß des Dr. Caligari dessen Befehle ausführte [2]. Obwohl der ausgemergelte und blasse Cesare visuell die Qualitäten eines wandelnden Leichnams erfüllt, bezeichneten ihn die Produzenten des Films nicht als lebenden Toten, sondern als Somnabulisten, was den schlafwandlerischen Zustand dieses Wesens beschreiben sollte. Cesare, so heisst es im Film, befindet sich hierbei in einem totenhaften Schlaf. Zudem schläft Cesare nicht in einem Bett, sondern in einer Kiste, die einem Sarg stark ähnelt, was an die Figur des Vampirs erinnert. Der auch heute noch sehenswerte Film gilt vor allem wegen seiner außergewöhnlich verzerrten und verstörenden Kulissen (die in den meisten Fällen gemalt sind) als ein Meilenstein des frühen expressionistischen Films.
White Zombie
Die ersten Untoten in einem Spielfilm, die auch als Zombies bezeichnet wurden, finden sich 1932 in dem ebenfalls schwarzweißen Klassiker White Zombie von Victor Halperin. Hier stehen wandelnde Leichen unter dem Einfluß des Mühlenbesitzers ‚Murder‘ Legendre (gespielt von dem bekannten Gruseldarsteller Bela Lugosi, dem das Image seiner Rollen als unheimliche Figur so stark anhaftete, dass er 1956 in seinem Dracula Cape begraben wurde). Für ihn haben sie unvergütete Sklavenarbeit in seinem Unternehmen zu verrichten. In diesem Film erwachen die Toten aufgrund magischer Essenzen und haitianischem Voodoozauber wieder zum Leben. Die Zombies selbst sind hier verhältnismäßig friedliche Wesen, die unter dem Einfluss eines Meisters stehen, der über ihr Tun befehligt. Der Film hat den Rocker, Illustrator und Filmemacher Rob Zombie dazu animiert seine Band nach diesem Film zu benennen. Rob Zombie schuff 2003 den Horror-Streifen House of 1000 Corpses, bei dem, man ahnt es bereits, ebenfalls Horden der lebenden Toten aufzutreten hatten.
Revenge of the Zombies
Offensichtlich mußten diejenigen, die Heerscharen von Untoten zum Leben erweckten und über sie befehligten finstere, unheimliche oder einfach nur bösartige Gesellen sein. Daher ist es wenig verwunderlich, dass es um die Zeit des Zweiten Weltkriegs in einer Reihen von billigen B-Filmen die Nazis waren, die versuchten mit Hilfe von Zombiearmeen die Welt an sich zu reißen, wie etwa in Revenge of the Zombies von 1943. Propagandatechnisch hatte dies den Vorteil, dass die Soldaten der Wehrmacht mit willenlosen Untoten gleichgesetzt werden konnten, die von einem dunklen Regime geführt wurden, und nichts anderes als den wahren echten Tod verdienten.
Die lebenden Toten des George A. Romero
Etliche Monster- und Gruselfilme später schuf der 1940 in New York geborene George Andrew Romero 1968 einen der einflußreichsten Klassiker des Genres. Romero studierte Kunst, Theater und Design am Carnegie Mellon Institute in Pittsburgh. Bevor er sich in seinen Filmen mit den lebenden Toten beschäftigte drehte er vor allem Acht Millimeter Kurzfilme und fabrizierte im Rahmen seiner Latent Image Company vor allem industrielle und kommerzielle Filmarbeiten.
Waren in der ersten Generation der Zombie-Filme, wie beispielsweise in White Zombie, die lebenden Toten noch Artefakte und Ergebnis menschlichen Handelns, die aus ihrem „Zustand“ erweckt werden konnten (hier wird eine moralische Komponente sichtbar, die wir bis ins gegenwärtige Filmschaffen beobachten können: gute, wahre Liebe ist (und soll) stärker (sein) als alles, selbst stärker als der Tod. Siehe zum Beispiel die Wiederbelebung des verstorbenen Neo durch die Liebe seiner Gefährtin Trinity im ersten Teil der Matrix Trilogie [3]) gestalten sich die untoten Wesen in Romeros Filmen wesentlich pessimistischer und hoffnungsloser als entmenschlichte, unkontrollierbare und verlorene Kreaturen – als feindlich, nicht integrierbar und außerhalb jeglicher Gesellschaft stehend. Sie können weder durch Magie, Wissenschaft, Technik oder Medizin wieder zu dem werden, was sie einst waren.
Night of the Living Dead
Night of the Living Dead (Image Ten et al. 1968).
Im immer noch schwarzweißen Schocker Night of the Living Dead erheben sich die Toten nicht mehr aufgrund von Magie und Zauberei aus den Gräbern. Die Ursache wird naturalisiert: Bislang unbekannte Strahlung aus dem Weltraum wird hier zur Ursache einer sich rasch ausbreitenden Untoten-Epidemie. Die auf der Suche nach Menschenfleisch umherstreifenden Horden der Untoten treiben eine kleine Gruppe von Protagonisten in ein abgelegenes Landhaus, wo sie versuchen sich ihrer Haut zu erwehren. Mit jedem zusätzlichen Gebissenen erweitert sich die Armee der untoten Fleischfresser. Gegenseitig attackieren sich Zombies jedoch seltsamerweise nicht. Sie streifen auf der Suche nach den immer spärlicher werdenden menschlichen Opfern umher, die in den Attacken umkommen, durch die mysteriöse Strahlung oder durch die Bißwunden aber wieder ihrerseits als blutrünstige untote Karnivore ins Leben zurückgeholt werden. Dieses Grundmuster findet sich später in fast allem Zombiefilmen wieder. Mit schmalem Budget und verhältnismäßig einfachen Mitteln, unter dem gekonnten Einsatz von Schatten und Licht und effektvoller Filmmusik, haben Romero und seine Helfer eine atmosphärisch dichte Stimmung und ein wahrlich furchteinflößenden Werk geschaffen. In Kommentaren und Kritiken dieses Klassikers wird immer wieder angemerkt, dass es zur Zeit der Entstehung dieses Films immer noch außergewöhnlich war, dass der Hauptakteur ein Schwarzer ist. Weiterhin wird oft interpretiert, dass sich in diesem Film die pessimistische Stimmung von Vernichtung und Gegenvernichtung zur Zeit des Vietnam-Kriegs widerspiegelt, etwa wenn die Behörden im Film die Lösung des Problems in der totalen Vernichtung aller Untoten sehen. Am Ende wird der dunkelhäutige Hauptdarsteller als einziger Überlebender durch die vermeintlichen Befreier getötet und mit den erlegten Untoten verbrannt.
Dawn of the Dead
Zehn Jahre später drehte Romero einen weiteren Klassiker des Genres. Im 1978 erschienenen Dawn of Dead geht es nicht mehr in erster Linie um Spannungserzeugung, wohliges Gruseln und Gänsehaut. Mittlerweile in Farbe geht es im zweiten Teil von Romeros Untoten Trilogie um eine neue Explizitheit, um eine ausdrückliche Schilderung und Darstellung von Schrecken, Gewalt und Grausamkeit. In diesem Zusammenhang ist vielleicht nicht uninteressant, dass Tom Savini, mit dem Romero zusammenarbeitete und der unter anderem für die mitunter recht (kunst)blutigen Effekte zuständig war, zuvor Kriegsphotograph in Vietnam gewesen war.
Dawn of the Dead spielt einige Tage nach dem Ausbruch der Zombie-Epidemie in Philadelphia. Eine Gruppe Überlebender verschanzt sich in einer für die damalige Zeit innovativer Neuerung, in der es alles was es zur Selbsterhaltung bedarf zu holen gibt: einer suburbanen Shopping-Mal. Dort müssen sie sich zum einen mit den blutdurstigen Horden von Untoten, sowie mit durchgedrehten Plünderern herumschlagen, die wie manch andere in dem Film den Verlust der Ordnung zum Ausleben von Gewaltexzessen und anderen vermeintlichen neuen Freiheiten nutzen. Die Hauptdarsteller fragen sich, warum es die Zombies scharenweise ausgerechnet ins Einkaufszentrum zieht und kommen zu dem Schluß, dass dies wohl ein Ort ist, der eine besondere Rolle in ihrem vorherigen menschlichen Dasein gespielt haben muss.Zugleich entsteht eine angespannte Dynamik in der zusammengewürfelten Gruppe der Überlebenden, die überlegtes Handeln und koordiniertes Vorgehen behindert. Nicht fehlen darf auch die Sequenz, die für unzählige Zombiefilme charakteristisch werden wird: Die Spannung ob ein gebissener oder infizierter Freund oder Bekannter nun zu einem todbringenden Monster werden wird oder vielleicht doch irgendwie behandelt oder gerettet werden kann. Die Kommunikation mit der Außenwelt ist abgebrochen, nur das Notfall-Sendesystem erteilt noch gelegentlich Hinweise, dass das Chaos im ganzen Land, vielleicht gar auf der ganzen Welt ausgebrochen ist. Eine wissenschaftliche Erklärung oder gar ein Gegenmittel gibt es nicht. Der dunkelhäutige Hauptdarsteller hat eine Erklärung zur Hand, die er von seinem Großvater gelernt hat, der seiner Zeit Voodoo-Priester gewesen ist: „When there’s no more room in hell, the dead will walk the earth.“ Sind die rationalen Erklärungen am Ende, dringen kulturelles Wissen und religiöse Deutungsmuster an die Oberfläche, die ihrerseits die rationalen und wissenschaftlichen Deutungen immer schon umgeben und ergänzt haben.
Dawn of the Dead (Laurel Group 1978).
Im Vergleich zum ersten Teil der Trilogie, die gekonnt gruselig inszeniert ist und Filmmusik in Hitchcock-Manier bedrohlich und zur Spannungserzeugung einsetzt, wirkt Dawn of the Dead durch die Untermalung mit Siebziger Jahr Synthesizer-Musik, den schwerfälligen blau-grünen Untoten und überzogenen Gewalteffekten, die gelegentlich beinahe in die Slapstick-Abteilung fallen könnten, fast wie ein Parodie oder Persiflage des ersten Teils.
Körperlichkeit im Extrem
Nun ist in Horror- und Gruselfilmen die spürbare Anwesenheit der Toten nicht weiter ungewöhnlich. In unzähligen Gruselfilmen machen sich Verstorbene als Geister oder Gespenster bemerkbar, die sich nicht an Naturgesetze halten müssen und beispielsweise durch Wände gehen oder fliegen können. Oftmals treten sie aus individuellen Motiven wie etwa Rache auf. Zombies sind im Gegensatz dazu lediglich die körperliche Reste von Individuen, in der Regel ohne Spuren von Erinnerung oder Persönlichkeit. Mit dem Fortschreiten von Schminktechniken und Spezialeffekten wurden zudem die körperlichen Zerfallsprozesse der lebenden Toten ausdrücklich unterstrichen und verdeutlicht.
Zudem hat die ausführliche und detaillierte Darstellung von Gewaltszenen, Blut, Organen und anderen zerstörten Körperteilen dazu geführt, dass Dawn of the Dead auch als Meilenstein des sogenannten Splatter- und Gore-Genres gilt, das nicht allein auf Zombiefilme beschränkt ist. Diese Art Gewalt in aller Ausdrücklichkeit darzustellen kann auch als ein Komplemtärereignis zur wesentlich früher entstandenen filmischen Pornographie gesehen werden. In beiden steht die menschliche Körperlichkeit im Vordergrund. In beiden Fällen hält die Kamera gnadenlos drauf, wenn es ernst wird. In dem einen Fall geht es um die Begierde, Lust und die sexuelle Empfindsamkeit des Körpers, im anderen Fall um den menschlichen Körper der gleichzeitig Werkzeug, Ort und Ziel von Gewalt ist. In beiden Fällen geht es um anatomische Details, Organe und Körperflüssigkeiten, deren Detailaufnahmen im einen Fall zur Luststeigerung und Erregung dienen, im anderen als Mittel zur Erzeugung von Ablehnung, Ekel und Entsetzen gebraucht werden und vielleicht auch in beiden Fällen eine gewisse Sensationslust hervorrufen.
Nichtsdestotrotz beschreiben unzählige Kommentare und Kritiker Dawn of the Dead zudem als eine außergewöhnliche Konsum- und Materialismuskritik, in der die hemmungslose Schilderung von Gewalt als instrumentelle [4] d.h. als stilistisches Mittel gebraucht wird, um die Konsequenzen und das Entsetzen des Filmemachers gegenüber einer aus allen Fugen geratenen Konsumkultur zu illustrieren.
In der Tat kann man sich auch heute noch beim Besuch vorstädtischer Einkaufszentren oder in den Hallen der Flughäfen dieser Welt an die Bilder der Überwachungskamera in Romeros Werk erinnert fühlen, in denen man geistlose und apathische Wesen ziellos auf der Suche nach ihrer verlorenen Identität durch die Hallen und über die Rolltreppen der Shopping Mall schlurfen und stolpern sieht. Letzten Endes sollte es aber jedem selbst überlassen bleiben, ob er oder sie Romeros Dawn of the Dead als ein Artefakt anspruchsvoller Sozialkritik oder einfach als ein schräges B-Movie ansieht. Sicher jedoch ist, dass es dieser Film mittlerweile unter einer treuen Fan-Gemeinde zu Kultstatus gebracht hat und wie bereits der erste Teil Eingang in unzählige Film-Enzyklopädien gefunden hat.
Day of the Dead
Romero beendete 1985 die Trilogie vorerst mit Day of the Dead. Die Band Gorillaz haben dem Film bereits ein Denkmal gesetzt, in dem sie auf einem ihrer Alben die Anfangssequenz des Film sampeln, in der die Überlebenden ihren sicheren Helikopter verlassen und mit Hilfe eines Megaphons nach weiteren Überlebenden suchen. In ihm ist die Erde bereits komplett von den Untoten überrannt. In einem unterirdischen Bunker irgendwo in Florida hat sich eine Gruppe von Wissenschaftlern und Militärangehörigen verschanzt, um an den Untoten zu experimentieren und mehr über ihr Erscheinen und ihr Dasein zu erfahren. Einer der Wissenschaftler, man nennt ihn Frankenstein, arbeitet dabei mit kruden Methoden an der Domestizierung der fleischfressenden Untoten. In diesem Film geht es vor allem um die kontroversen Beziehungen und Sichtweisen von Wissenschaft, Militär und den „gesunden Menschenverstand“ in der Krise.
Interessant ist hierbei dass Romero in einem Interview geäußert hat, dass er sich am ehesten als Satiriker sieht, der seine Empfindungen in den Kontext der Allegorie von Horror-Stories stellt. Gäbe es einen vierten Teil, so Romero in dem Interview, wäre sein Thema die Ignorierung von bestehenden Problemen, was er als ein hervorstechendes Charakteristikum der Gegenwart sieht. Seine Zombies wären dann vergleichbar mit den Aidskranken, die von der Gesellschaft ignoriert würden.
Eine spezielle Polizeieinheit würde dann einen „normalen Tagesablauf“ gewährleisten, während sich die Bevölkerung in „sicheren“ Einrichtungen weiterhin amüsiert als wäre nichts gewesen, so Romero weiter. Es wäre interessant zu erfahren wie Romero die gegenwärtige Lage hinsichtlich einer angeblich allgegenwärtigen Terrorismusgefahr beurteilt und welche Rolle die Metapher des fleischfressenden Zombies darin spielen könnte. Auf dem Höhepunkt der Medienberichterstattung und des Entsetzens über Terrorakte konnte man sich manchmal des Eindrucks kaum erwehren, dass in jedem vermeintlich friedlichen Mitbürger ein potentieller Terroristen-Schläfer stecken könnte, der Tod und Verderben übers Land bringt. Genauso steckt in Romeros Filmen in jeden Menschen wohl das Potential zum mordenden Zombie zu werden, der ohne Rücksicht auf Verluste animalisch Menschen zerfleischt [5].
Die Rolle von Wissenschaft und Medien
Beachtenswert ist, dass in allen drei Filmen von Romero unterschwellig die Wissenschaft präsent ist und die Massenmedien, vor allem Radio und das Fernsehen eine wichtige Rollen als narratives Element spielen. In Night of the living Dead sind immer wieder Nachrichtenausschnitte zu sehen und zu hören, in denen Wissenschaftler und Ärzte ihre Erkenntnisse über das Geschehen mitteilen. Letzten Endes ist die Raumfahrt an allem Schuld, denn eine ins All geschossene Sonde bringt die verheerende Strahlung zurück auf die Erde. Romeros Wissenschaft- und Technikskepsis ist bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass sich die Raumfahrt zur Zeit der Entstehung des Film gerade zu ihrer Blüte entwickelte. Die Wissenschaftler, Militärs und andere Experten haben aber keine Erklärung und erst recht keine Lösung für das, was sie mit ihrem Treiben angerichtet haben. Im übrigen findet man beim genaueren Hinsehen auch einen Hauch 68er Revolte und sexueller Befreiung, wenn beispielsweise in Gestalt einiger wandelnder Untoter die eine oder andere gutaussehende nackte Dame ins Bild geschmuggelt wird.
Auch in Dawn of the Dead spielen die Medien, oder genauer das Fernsehen, eine wichtige Rollen. Der Film beginnt in einem Fernsehstudio und Fernsehansprachen werden den halben Film über präsent sein, bis schließlich nicht mehr gesendet wird. Das Ausbleiben der Fernsehsendungen und -ansprachen markiert die Isolation und absolute Abgeschnittenheit der Protagonisten, das Ende der Zivilisation. In den Fernsehansprachen kommt in einer längeren Sequenz ein bärtiger Wissenschaftler mit Augenklappe zu Wort, der erklärt, dass es sich bei den Kreaturen nicht um Kannibalen handeln könne, denn diese würden sich von der eigenen Art nähren. Dies impliziert, einmal mehr, dass die Zombies kein Teil der menschlichen Gesellschaft sind, sie sind anderes und außerhalb, wie wilde Tiere oder Krankheiten ein Teil feindlicher Natur, die es zu bekämpfen gilt. Die Kreaturen im Film würden nur lebende Menschen angreifen sich gegenseitig aber in Ruhe lassen. Auf jeden Fall müßten sie bei ihrem Auftreten sofort vernichtet werden.
Day of the Dead (Laurel Entertainment 1985).
Noch hemmungsloser sind die Wissenschaftler in Day of the Dead. Sie halten sich in den unterirdischen Bunkern lebende Tote, die sie für Versuche einfangen und 'verbrauchen'. Einer der Wissenschaftler hält sich einen domestizierten Zombie, den er „Bub“ nennt, als Haustier und Versuchsobjekt und geht davon aus, dass sich alle Zombies zähmen lassen. Um seinen untoten Probanden zu ernähren und um ihn ruhig zu stellen verfüttert er ihm allerdings die Leichen gefallener Soldaten, was ihm wiederum den tödlichen Zorn der Militärs einbringt.
Eine besondere Abneigung scheint Romero gegenüber südstaatlerischen Waffennarren an den Tag zu legen. Sie werden in Dawn of the Dead als ungepflegte bärtige Bande von Bierdosen saufenden Rowdies porträtiert, die sich fast darüber zu freuen scheinen, dass sie nun ihre Gewehre aus den Schränken holen und sich zur lustigen und sadistischen Untotenjagd zusammenrotten dürfen.
Monster und Masse
Dawn of the Dead (Strike/Universal 2004).
Den Schrecken den die Zombies in Filmen verbreiten rührt vor allem von ihrem massenhaften Auftreten. Mit einem einzelnen und einer Handvoll wandelnder Untoten könnte man noch fertig werden. Die Tatsache aber, dass es meistens bereits viele sind und zu allem Überfluß auch immer mehr werden, macht sie auf lange Sicht beinahe unbesiegbar. Hinter dem Terror den die Zombies verbreiten mag sich vielleicht nichts anderes als die Angst vor der Masse und der Befürchtung wie sie zu werden, verbergen. Vielleicht sind Zombiefilme gerade deshalb bei Zuschauern im Teenageralter so beliebt, weil die Protagonisten oft in einen Konflikt stecken, den die meisten Pubertierenden gut kennen. Draußen ist die fremde, merkwürdige Welt der Erwachsenen, die aus der Sicht der Jugendlichen nichts anderes tun, als geistlos zur Arbeit zu wandeln, fern zu sehen und zu konsumieren. Sie verstehen die Musik, Witze und Lebenswelt der Jungen oft nicht und allgemein ist es für sie schwer bis unmöglich mit ihnen sinnvoll zu kommunizieren. Wie im Zombiefilm wissen die meisten intuitiv, dass es auf kurz oder lang wohl keinen Weg gibt, dem Schicksal der Assimilation und Anpassung zu entgehen; einer von „ihnen“ zu werden.
Proletarier unter den Filmmonstern
Im Vergleich zu anderen Filmmonstern stellen die Zombies keinen unbesiegbaren Überwesen dar. Sie sind durch und durch körperlich und es ist möglich ihnen mit physischer Gewalt beizukommen. Weitaus abgehobener und entfernter vom Zuschauer sind dagegen andere Wesen aus der Geschichte der Horror- und Gruselfilme; Jahrtausende alte Dämonen, Mumien aus dem aristokratischen Geschlecht der Pharaonen, gräfliche Vampire oder verrückte Wissenschaftler, durchgedrehte Ärzte und andere irre Akademiker, die sich entweder in Monster verwandeln, in Pakte mit dem Teufel einlassen oder grauenhafte Wesen erschaffen. Die Masse der wandelnden Toten bildet im Vergleich dazu das Proletariat der Filmmonster. Sie sind jeglichen gesellschaftlichen Statuses beraubt, haben Identität und Individualität verloren und sind nichts anderes als infizierte Körper, die auf rudimentärem Niveau der animalischen Logik des Fressens und Gefressen-Werdens folgen. Der Zuschauer weiß, würde ich gebissen, würde ich einer der ihren werden. Zombies sind die Antwort auf die Frage, was wäre, wenn der Mensch ein Tier wäre. In dieser Hinsicht verwundert es auch nicht, dass manche das Wiederaufleben von Zombies in der Popkultur der letzten Jahre als Propagierung der Intensität eines kriegerischen Lebens im System eines Raubtierkapitalismus sehen, in dem alle Konkurrenten sind und nur die härtesten überleben.
Die Zombies selbst hingegen wissen nicht in welchem Zustand sie sich befinden, vermutlichen wissen sie überhaupt nichts, außer was es zu beißen und zu fressen gilt. In den meisten Fällen können die Zombies nur durch die Zerstörung ihres Gehirns von ihrem Dasein erlöst werden. Nicht wenige moralinsaure Mitmenschen behaupten dass die heutige Jugend durch ausgiebigen Fernseh-, Musik-, Videospielkonsum, Kaufrausch und zeitraubende Internetabenteuer genau diese Strategie versuche. Dabei sind sich die Protagonisten in Zombiefilmen und die Untoten oft ebenfalls recht nahe. Sie erkennen in manchen von ihnen Vertrautes wieder, vielleicht die Geliebte, sehen sie als ehemaligen Freunde, Bekannte und Verwandte. Und haben vielleicht sogar ein wenig Mitleid mit diesen Gestalten. Es braucht schließlich nicht viel, um einer von ihnen zu werden. „We’re them and they’re us“, entfährt es einem Protagonisten in einem Night of the Living Dead-Remake.
Peter Jackson und die Hirntoten
Dass man es als Regisseur von Zombie- und Splatterfilmen zum gefeierten Oscar-Award-Gewinner schaffen kann, bewies der Neuseeländer Peter Jackson. Vor seiner vielgelobten Lord of the Rings-Trilogie, drehte Jackson 1992 unter anderem den Zombieslapstick-Streifen Braindead, in dem schon in der Anfangssequenz Jacksons Liebe zum Horrorgenre deutlich wird. Das Rattentier, das letzten Endes einen Erreger verbreitet, der Ursprung einer außergewöhnlich blutigen Zombieepidemie in Neuseeland wird, wird von einer Insel names Skull Island verschleppt – der Insel, auf der einst im Zeitalter des Schwarzweiß-Films King Kong entdeckt wurde. Und letzten Endes finden sich auch in Jacksons Verfilmung von J.R. Tolkiens Herr der Ringe-Klassiker ganze Reihen von wandelnden Untoten und Elementen aus Zombie- und Splatterfilmen, die dem Erfolg und der zum Teil doch recht rauhen mittelalterlichen Atmosphäre und den brutalen Schlachten des Film keinen Schaden angetan haben.
Immer feste draufhalten: Resident Evil
Resident Evil (Constantin 2002).
Als willkommen Opfer und gepixelte Schießbudenfiguren finden wir Armeen von Zombies heute zudem in unzähligen Video- und Computerspielen wieder. Dort gilt es sie mit Kettensäge, Schwertern, Schrotflinten und Automatikwaffen möglichst schnell, effektiv und gezielt niederzumähen. Oftmals jedoch sind die wandelnden Untoten menschenähnlich genug, um an ihnen jegliche jugendliche Wut auf seine Mitmenschen abzureagieren. Als eines der bekannteren gilt die Reihe Resident Evil, die es in der Verfilmung von Paul W.S. Anderson 2002 sogar in eine Spielfilmadaption geschafft hat. In ihr ist die allmächtige Umbrella Cooperation in einem riesigen unterirdischen Komplex mit militärischer Forschung an einem Virus beschäftigt, der die Toten als Zombies wieder zum Leben erweckt. Es kommt zur Katastrophe bei der alle Forscher und Angestellten umkommen, jedoch durch das Virus mit unfreundlichen Absichten wieder auferstehen. In dem Film kann man unter anderem Heike Makatsch als Zombie bestaunen und 2004 kam eine Fortsetzung (Resident Evil: Apocalypse) vom selben Regisseur ins Kino, in der das Ex-Modell Milla Jovovic erneut mit grosskalibriger Unterstützung als Alice auf Zombiejagd geht. Spätestens hier ist von einem eventuellen Mitleid mit den leidigen Kreaturen, die die ehemaligen Mitmenschen waren, nicht mehr viel zu spüren. Allerdings erlauben sich die Macher der Fortsetzung einen ironischen Kommentar, wenn es dieses Mal ein einzigartiges Kosmetikprodukt ist, das die belastenden Auswirkungen von Sonne, Alterung und Stress auf die Haut rückgängig macht und bereits abgestorbene Zellen wiederbelebt. Bitte den Beipackzettel mit den Nebenwirkungen beachten.
28 Days Later
Danny Boyle, der durch die Verfilmung von Irvine Welshs Junkie Epos Trainspotting bekannt wurde und später durch die Verfilmung von Alex Garlands Buch The Beach mit Leonardo DiCaprio in der Hauptrolle bei vielen Kritikern in Ungnade fiel, versuchte sich 2002 an einem schnellen Film mit verhältnismäßig niedrigem Budget, der erneut auf einer Vorlage von Garland beruht. Völlig unerwartet spielte dieser an den US-amerikanischen Kinokassen über $ 45 Millionen Dollar ein. In 28 Days Later befreit ausgerechnet eine wohlmeinende Gruppe von Tierschützern mit einem militärischen Virus namens „Rage“ infizierte Versuchsaffen aus einem Forschungslabor und setzt so die Biowaffe frei.
28 days Later (British Film Council/Fox 2002).
Der Virus verwandelt alle Infizierten in blutdurstige Killermaschinen, die wiederum die „Gesunden“ durch ihre Angriffe infizieren. Der Held des Streifens bekommt von all dem nichts mit, da er sich in einem Krankenhaus im Koma befindet. Als er 28 Tage nach dem Ausbruch des Viruses daraus erwacht hat sich der Virus bereits über ganz Großbritannien ausgebreitet. Vermutlich hat man noch kein apokalyptischeres Bild von London in einem Film gesehen, als das, wenn Jim auf der Suche nach irgendjemanden, von schwermütigen Kirchenchoralen untermalt, durch das verwüstete und menschenleere London zieht. Und ausgerechnet ein Priester in einer Kirche stellt den ersten gefährlichen Infizierten dar, den Jim zu Gesicht bekommt. Gemeinsam mit einer kleinen Gruppe anderer Überlebender zieht Jim Richtung Norden, wo sich irgendwo Militärs verschanzt haben, die allen Anscheins nach ein Gegenmittel geschaffen haben. Boyles Infizierte folgen im Grundmuster den klassischen Zombies, die sich durch Bisse epidemisch ausbreiten. Allerdings fühlt man sich bei der Betrachtung des Films an den Untertitel von Douglas Couplands Geschichtensammlung Generation X - Tales for an Accelerated Culture erinnert. Keineswegs sind die Infizierten mehr langsam vor sich hin schlurfende und stolpernde Zombies wie in Romeros Filmen (der übrigens schon 1973 in The Crazies die Problematik des Ausbruchs eines militärischen Viruses aufgegriffen hat, der Menschen in durchgedrehte Killer verwandelt). In 28 Days Later werden die Boyleschen Zombies durch das Virus geradezu beschleunigt, sie rennen und spurten mit beinahe übermenschlichen Kräften nach den Überlebenden, was ihr Gefahrenpotential um ein vielfaches erhöht und dem gesamten Film ein enormes Tempo verleiht.
‚Shamblers' und ,Sprinters'
Diese Transformation vom ,Shambler' zum ‚Sprinter' in der Gestalt des Zombies hat etwa in unzähligen Diskussionsforen im Internet zu Empörung geführt. Gemeinhin, so wurde bislang angenommen, sollten die lebenden Toten als langsam und unkoordiniert vor sich hin schlurfende Wesen dargestellt werden. Die Langsamkeit und Begriffsstutzigkeit der lebenden Toten hat in unzähligen Filmen zudem oft ein komödiantisches Element beherbergt. Liebhaber des ‚klassischen' Zombiefilms lehnen eine Beschleunigung der lebenden Toten strikt ab und in der einen oder anderen halboffiziellen Verlautbarung wurde bereits darauf hingewiesen, dass auch George Romero dem schwankenden Gang und der begriffsstutzigen Natur der ‚Shambler' Zombies treu bleiben will.
28 days Later (British Film Council/Fox 2002).
Die Gefahr durch die Infizierten, bzw. durch die neu inszenierten ‚Sprinters’, dient in Boyles Film allerdings nur als Kontrastprogramm zur Gefahr, die durch die Militärs im zweiten Teil des Films droht. Sie sind die wahren Bösewichte des Films, wenn sich etwa herausstellt, dass für sie der gegenwärtige Zustand der Welt nicht weiter ungewöhnlich ist und eigentlicher Bestandteil jeglicher militärischen Ordnung ist. Was ich da draußen sehe, sind Menschen die Menschen töten, meint der Befehlshabende in der Gruppe der versprengten Militärs, das sei für ihn nicht weiter ungewöhnlich, das sehe er jeden Tag. Im restlichen Teil des Films wird zudem deutlich, dass diese militärische Ordnung immer auch eine männliche Ordnung ist, unter der neben den männlichen Zivilisten insbesondere die Frauen (und Kinder) zu leiden haben. Bei Boyle stellen beide Achsen, Natur in Gestalt der Infizierten und gesellschaftliche Ordnung in Gestalt der Militär, eine Gefahr für die Lebenden dar.
Dawn of the Dead - remade
Im Jahr 2004 versuchte sich der bisher vor allem durch Werbespots und Musikclips bekannt gewordene Zack Snyder an seinem ersten Spielfilm: einem Remake von Romeros Dawn of the Dead. Snyder hielt sich hierbei nicht unbedingt an die Vorlage; vielmehr versuchte er grob die Rahmenhandlung der Vorlage in die Gegenwart zu übersetzen. Erzähltechnisch macht sich Snyders bisherige Vergangenheit bereits in den ersten zehn Minuten bemerkbar, in denen illustriert wird dass die bisher geordnete Welt zusammenbricht und am Abgrund trudelt. In einer Luftaufnahme zeigt er eine am Reißbrett entworfene amerikanische Vorstadtidylle, geordnete Reihenhäuschen mit kleinen gepflegten Grünflächen. Eine der Hauptdarstellerinnen, eine Krankenschwester, lebt in einem der identischen Eigenheime im langweiligen Suburbia, in dem Kinder mit Rollschuhen vor dem Haus spielen und genügend Platz für amerikanische Familienkutschen ist. Shopping Malls haben sich in dieser Welt bereits als vollkommen normaler Bestandteil des täglichen Leben etabliert. Innerhalb von Minuten bricht die Katastrophe aus und die sich ausbreitende gewalttätige Untotenepidemie richtet Chaos und Verwüstung an, die im Film unter anderem aus der Vogelperspektive observiert wird. Hier wird nicht subtil wie in unzähligen anderen gegenwärtigen US-amerikanischen Filmen das Grauen, die Monotonie und die unendliche Langeweile, die sich unter den Oberflächen vermeintlich geordneter Vorstadtleben verbirgt, hervorgebracht oder erahnt; hier wird abgerechnet mit der Spiessigkeit der amerikanischen Vorstadtwelt. Die Macher des Films hatten offensichtlich großen Spaß daran die heile Ordnung zu zerstören, sie in Brand zu setzen und das Chaos hereinbrechen zu lassen.
Ein auffallendes Stilmittel ist hierbei der ironische und kommentierende Gebrauch von Filmmusik, wenn beispielsweise in der Anfangssequenz die Welt buchstäblich kaputt geht und die Tonspur statt einer Erklärung oder einem Dialog nur Johnny Cash und seine Gitarre mit dem Song The Man Comes Around, in dem es in Bibelversen um die Apokalypse geht, abspult. Der Plot verläuft ähnlich wie im Original, eine Gruppe Überlebender verschanzt sich in einer Shopping Mall, wo sie sich zuerst den Wachleuten der Mall stellen müssen. Außerhalb der Mall sammeln sich die Untoten in immer größeren Mengen.
Auch Snyders Film ist wie schon 28 Days Later ein sehr schneller Film. Die Inszenierung wird der Umgebung angepasst, wenn die Bilder in der sicheren Mall teils an materialistische Werbeclips erinnern, die Kameraführung außerhalb der Mall jedoch verwackelt wird und die Bilder wie in einer Kriegsberichterstattung grobkörnig und unterbelichtet werden. Doch nicht nur der Film, auch die Zombies selbst sind im Vergleich zum Original beschleunigt und schnelle, ausdauernde Wesen. Den gesamten Film über zeigt Snyder, dass er sehr gut gelernt hat Bild und Ton zu kombinieren und Musik vor allem als Stilmittel zu gebrauchen das einen ironischen Unterton erzeugen kann; etwa dann, wenn sich die Überlebenden vor den Zombieattacken in einen Fahrstuhl des Einkaufszentrums flüchten und Don’t Worry, Be Happy während der Fahrt aus den Lautsprechern rieselt.
Dawn of the Dead (Strike/Universal 2004).
Snyders Versions von Dawn of the Dead ist ein postmoderner Film, der sich selbst nicht ernst nimmt und etliche unterschiedliche Betrachtungsweisen zuläßt. Der Film braucht auch keine Erklärung für das Ausbrechen der Zombiekatastrophe. Mit einem Schlag sind sie da und die neue Zeit beginnt. Auf dem Dach der Mall sammeln sich die Überlebenden, die üblichen Kommunikationswege sind zusammengebrochen. Sie kommunizieren nun per Fernglas und Tafeln, auf die geschrieben wird, mit dem Besitzer eines Waffenladens der sich in unweiter Nähe der Mall ebenfalls auf dem Dach seines Geschäfts verschanzt hat. Zwischen den Gebäuden hat sich mittlerweile ein Meer aus untoten Körpern ausgebreitet. Aus Langeweile und dem Mangel anderer Unterhaltungsmöglichkeiten schreiben sie Namen von Prominenten wie Burt Reynolds oder Jay Leno auf die Tafeln und der Besitzer des Waffengeschäfts schießt die Zombies über den Haufen, die ihnen ähnlich sehen. Untermalt wird das Promie-Lookalike Zombieschießen mit heiterer Musik. Es mag sein, dass es sich hierbei um eine persönliche Abrechnung mit Kindheitstraumata oder auch dem gegenwärtigen Prominentenkult geht. Die Umsetzung des Gedanken ist bizarr, funktioniert im Film jedoch tadellos. Sie verdeutlicht dass den Protagonisten nun nichts mehr heilig ist und selbst die bisher so verehrten Celebrities in dieser Situation nichts mehr wert sind. Kill your Idols, könnte man mit dem Titel eines alten Alternative Albums buchstäblich annehmen. In der selben Situation kommt es jedoch auch zu einer der unheimlichsten Szenen des Films; als der Besitzer des Waffengeschäfts von Zombies gebissen, zu einem der ihren wird und einem letzten Kommunikationsversuch unternimmt, in dem er den Blick Richtung der Überlebenden auf dem Kaufhausdach wendet und die Tafel mit Blut beschmiert.
Diese Unbestimmtheit und Selbstironie des Films zieht sich durch bis zum Ende des Films, das sich ebenso mehrdeutig präsentiert, wie bereits der gesamte Film. Die Ungeduldigen, die das Kino vor dem Ablauf des Abspanns verlassen, bekommen ein Hollywood kompatibles Ende präsentiert, das Raum für Hoffnung offenläßt. Die Geduldigen jedoch bekommen während und nach dem Abspann in einer originellen Zeitraffer eine Erweiterung des Endes geboten, das in schnellen Schnitten und Fragmenten zeigt was nun wirklich passiert.
Diversität unter Untoten und die Annäherung an wissenschaftliche Diskurse
Die Zombies haben es mittlerweile zur großen Bekanntheit gebracht. In den Filmen der letzten Jahren finden wir inzwischen eine erhebliche Vielfalt an lebenden Toten. Da gibt es zum einen reitende und schwimmende Leichen, tote Templer, individuelle Untote, die aus Rachemotiven zurückkehren, Tote, die durch durch Magie und Zauberei ins Leben zurückfinden, den Wissenschafts- und Technikzombie, der durch Strahlung, Elektrizität, radioaktive Verseuchung oder aggressive Viren wiederbelebt wird oder andere Leichen wiederum, die von Aliens belebt und kontrolliert werden. Interessant ist, dass die wissenschaftlichen Erklärungen sich den derzeitig in den Medien vorherrschenden Diskursen um Wissenschaft annähern. Kamen in den Sechzigern Jahren noch Strahlung und Raumfahrt in Frage, finden sich in den gegenwärtigen Filmen Anspielungen auf Biotechnologie und Genetik und vermutlich werden in den kommenden Filmen Nano-Technologien eine gewichtige Rolle spielen. Es sollte in diesem Zusammenhang vielleicht nicht vergessen werden dass P.B. Shelley im Vorwort zu Mary Shelleys Roman Frankenstein (or, the modern Prometheus), der bereits 1818 zum ersten Mal veröffentlicht wurde, der Gegenstand des Buchs, die Belebung einer Kreatur, die von Victor Frankenstein durch die Zusammensetzung von Leichenteilen erschaffen wird, in Bezugnahme auf derzeitige Wissenschaftler und deutsche physiologische Autoren als „nicht unmögliches Geschehnis“ beschrieben wurde [6].
Manch andere Tote hingegen kehren ins Leben zurück, da Dämonen von ihnen Besitz ergriffen haben, wie etwa in den The Evil Dead-Filmen von Sam Raimi, der durch die erfolgreiche Verfilmung von Spiderman-Comics inzwischen auch Hollywood Status erreicht hat. Dabei sind Zombies in Filmen auch an keiner Nationalität mehr festzumachen. Wir finden sie in amerikanischen, europäischen und asiatischen Filmen. Den Zombies und Zombiefilmen wurden inzwischen etliche Bücher und sogar eine Enzyklopädie gewidmet und Max Brooks geht vielleicht etwas zu weit wenn er in seinem Zombie Survival Guide: Complete Protection from the Living Dead von 2003 die Grenze zwischen Fiktion und Realität scheinbar nicht mehr eindeutig zu trennen vermag. Selbst der Film-Geek und einer der Meister des Filmzitats, Quentin Tarantino, kommt nicht umhin den lebenden Toten eine Referenz zu erweisen. In Kill Bill Vol. 2 muss sich Uma Thurman aus einem Grab befreien und schreitet darauf mit Erde beschmutzt aus dem Friedhof in Richtung eines Cafés. Auch der ehemalige Humanities Lehrer und Schöpfer des Filmmonsters Freddy Krüger (aus den Nightmare on Elm Street Filmen) und der Scream Trilogie, liess es sich nicht nehmen 1988 den gefloppten pseudo-dokumentarischen Spielfilm The Serpent and the Rainbow zu drehen, in dem ein Anthropologe auf Haiti versucht den Mythos der lebenden Toten zu ergründen.
Cross-Referencing und die Permeabilität von filmischen Genres
So wie in der Wissenschaft wichtige und einflußreiche Autoren zitiert werden oder in unterschiedlichen Musikstilen Stücke aus gefälligen oder eingängigen Songs gesampelt werden, benutzen auch etliche Filmemacher die Referenz an andere Filme, Regisseure oder Filmstile um ihren Meistern zu huldigen oder ihre Wurzeln und Einflüsse offenzulegen. Im Gegensatz zu Text und Ton allein handelt es sich bei Filmen um audiovisuelle Medien, die aus diesem Grund eine Vielzahl von Möglichkeiten haben, andere Werke zu zitieren. Dies mögen bestimmte Einstellungen, Elemente, Teile aus Dialogen oder die Filmmusik sein. Und wie sich in der Popmusik beständig neue Musikstile herausbilden, hybridisiert und amalgamiert wird und in der Wissenschaft neue Unterdisziplinen und interdisziplinäre Kooperationen zustande kommen, verschwimmen auch die Grenzen von Filmgenres zunehmend und neue Filmstile und -kategorien bilden sich kontinuierlich aus. Dies hat in der letzten Zeit leider auch zu einigen merkwürdigen Beispielen geführt, in denen regelrechte Scharen von Filmmonstern aus verschiedenen Genres und Geschichten einzelne Filme nur mehr lediglich als Staffage bevölkern, von denen jedes einzelne zu seiner Glanzzeit als Hauptdarsteller einer ganzen Reihe von Filmen gedient hatte.
Shaun of the Dead
Eine Mixtur unterschiedlicher Genres kann man im 2004 vom Briten Edgar Wright gedrehten Shaun of the Dead, der sich im Untertitel: A Romantic Comedy. With Zombies nennt, beobachten. (Im auf Abkürzungen versessenen England wird der Film in der Filmkritik dann z. B. als „a funny rom-zom-com“ beschrieben). In der Persiflage geht es um Shaun, den Anti-Helden des Films und seinen Kumpel Ed, die ihre Zeit am liebsten in einem Londoner Vorstadt verbringen. Tatsächlich handelt es sich um eine romantische Komödie, wenn die beiden Verlierer versuchen Liz, Shauns Ex-Freundin, wieder mit Shaun zusammenzubringen. Und irgendwann tauchen am Rande auch noch Hordenweise Zombies auf. Zu einem der besten Einfälle des Films gehört es, dass es sehr lange dauert, bis tatsächliche Zombies im Film auftauchen. Vielmehr wird von der ersten Minute an gezeigt, dass die echten keinen großen Unterschied zu vermeintlichen Zombies im normalen Leben darstellen, denn Buspassagieren, die übermüdet auf dem Weg zur Arbeit nichts anderes tun, als in das Display ihres Mobiltelefons zu starren oder verpennt zur Bushaltestelle zu wandeln, sind nicht im Endeffekt nicht so viel anderes als die Zombies selbst.
Shaun of the Dead (Studio Canal/Working Title/Universal 2004).
Aus diesem Grund bemerkt Shaun die Gegenwart der Zombies am Anfang überhaupt nicht, denn alles ist scheinbar wie sonst auch. Und wenn sein verhasster Stiefvater von Zombies gebissen wie immer geistlos in den Fernseher glotzt ist erneut nicht so ganz klar; ist er nun einer oder nicht. Nur dass die Zombies über kurz oder lang anfangen Menschen anzugreifen. Die erste Attacke durch einen Zombie wird von Shauns Kumpel Ed damit gewürdigt, dass er ins Haus flitzt um eine Einwegkamera zu holen, während Shaun versucht sich eine untertote Beißerin vom Leib zu halten.
Am Ende, wie könnte es anders sein, siegt die Menschheit über die Horden der Untoten und die verbleibenden Zombies werden als Haustiere im Garten gehalten oder man läßt sie in Gameshows in Wettkämpfen gegeneinander antreten. In Shaun of the Dead wird am Ende im Fernsehen angedeutet, dass genetisch veränderte Nahrungsmittel (die in Großbritannien von der Presse als Franken(stein)Food bezeichnet werden) Auslöser für die Zombieepidemie sein könnten, ein Virus (der im ebenfalls britischen 28 Days Later Auslöser der Katastrophe war) als Auslöser der Katastrophe könne jedoch nicht bestätigt werden, heißt es da in den Fernsehnachrichten.
Eine ähnliche Idee wie in Shaun of the Dead wurde übrigens bereits vom britischen Autor Will Self in seinem Buch How the Dead Live(auf deutsch: Wie Tote leben, 2002, Luchterhand) verarbeitet. Hier erzählt die bereits seit Jahren verstorbene Lily Bloom von ihrem Leben als Tote, das genauso dröge, langweilig und spießig ist, wie es schon zu Lebzeiten war. Self benutzt in seinem Roman die Sichtweise einer lebenden Toten um mit den Leben, den Tod und allem was danach kommt, aber wiederum wie das vorherige ist, in bissigster Manier abzurechnen.
Weitere interessante Genremixturen in diesem Zusammenhang finden sich etwa in der italienisch-französisch-deutschen Koproduktion Dellamore Dellamorte, die unter der Regie von Michele Soavi 1994 in die Kino kam. Der Titel versinnbildlicht bereits die Dualität von Leben und Tod, in der es in dem Film geht. Die Hauptfigur des Films ist ein Friedhofswächter, der zum einen ins Leben zurückkehrende Beerdigte zurück ins Grab befördern und zugleich mit seinen erfolglosen Liebesabenteuern zurechtkommen muss. Noch wildere Genreüberschreitungen und -verbindungen finden sich im japanischen Versus, der im Jahr 2000 von Ryuhei Kitamura gedreht wurde. In diesem treffen flüchtige Verbrecher auf andere Gangster, um sich gegenseitig ihre Martial Art Künste zu beweisen – bis weitere tote Kämpfer aus ihren Gräbern steigen. Kitamuras Zombies stellen eine besonders bizarre Mischung dar, da sie zum einen langsame ‚Shamblers' sind, zum anderen aber gleichzeitig zum Waffengebrauch fähig sind.
Die Zombies haben inzwischen viel durchgemacht. Von der Schlangengottheit, über ein Götzenbild, wurden sie zu unheimlichen Kreaturen unter dem Bann von Voodoo- und Hexenmeistern und zu furchteinflößenden und blutrünstigen Massenmonster auf der Suche nach menschlichen Opfern. Heute finden wir sie zudem als animierte Schießbudenfiguren in Videospielen, als komödiantisches Beiwerk und Staffage und als Witzfiguren in Satiren und Comedys. Zombies scheinen mittlerweile den Status popkultureller Ikonen erreicht zu haben. Es darf deshalb angenommen werden dass die lebenden Toten auch in Zukunft nicht ohne weiteres tot zu bekommen sein werden.
Fussnoten
[1] Michael Jordan (1999): Cults. From
Bacchus to Heaven's Gate. London / Dubai. 2. Auflage. Seite 41.
[2] In David J. Skals Perspektive ist der Film als Allegorie auf den Ersten Weltkrieg zu verstehen: „the somnabulist representing an Every Soldier-slave, sent out to kill and be killed by a crazy master“. Zitiert nach Junge, Th. und Ohlhoff D. (2004): In den Steinbrüchen von Dr. Moreau. Eine Einleitung. Seite 10. In: Junge, Thorsten und Ohlhoff, Dörthe (Hrsg.): Wahnsinnig genial. Der Mad Scientist Reader. Aschaffenburg: Alibri.
[3] Interessant ist in diesen Zusammenhang auch Werner Schneiders (2004: 56) Analyse des Cyborg-Films 'Robocop', in der er das selbe Motiv identifiziert: „Zunächst ist festzuhalten, dass der Film eine weitere Variante des seit der Romantik popularisierten 'traditionell-modernen' Themas von der Überwindung des Todes durch die (primär weibliche) Liebe präsentiert. Anders formuliert: Wir finden zum einen ein transformiertes romantisches Liebesideal als Liebe bis in den Tod und zum anderen eine dazu passende 'post-moderne' Variante.“
Werner Schneider (2004): Menschen-Maschinen und ihre Schöpfer. Eine 'post-moderne' Schöpfungsgeschichte am Beispiel von Robocop. In: Junge, Thorsten und Ohlhoff, Dörthe (Hrsg.): Wahnsinnig genial. Der Mad Scientist Reader. Aschaffenburg: Alibri. Seite 38 – 62.
[4] Dazu der Gewaltforscher Wolfgang Sofsky: „Instrumentell ist Gewalt, sofern sie Zweck zum Mittel ist. Der Zweck dirigiert die Gewalt und rechtfertigt ihren Gebrauch“. Wolfgang Sofsky (2001): Traktat über die Gewalt. Frankfurt am Main: S. Fischer. 3. Auflage. Seite 52.
[5] Tatsächlich ist im Internet bereits ein vierter Teil unter der Regie von George A. Romero angekündigt: 'Land of the Dead' soll 2006 ins Kino kommen. http://www.imdb.com/title/tt0418819/ Stand: 12. März 2005.
[6] „The event on which this fiction is founded has been supposed, by Dr Darwin and some of the physiological writers of Germany, as not of impossible occurrence.”P.B. Shelley 1818 im Vorwort zu Mary Shelleys Frankenstein. Mary Shelley (1994/1818): Frankenstein. London: Penguin Books. Seite 11.
Bei diesem Beitrag handelt es sich um eine überarbeitete und erweiterte Fassung zweier Artikel zum Thema „Zombies, Pop und Filme“, die im Dezember 2004 im Magazin der Telepolis erschienen sind.