Con Air - die, die es nicht tun
von Horst Tellioglu
Juni 1998
Cameron Poe (Nicolas Cage) hat es sich angeblich verbeten, in der filmwerbung mit waffen gezeigt zu werden. Um die jugend nicht zu verderben. Ich versuche mich daher zu erinnern, ob er im film überhaupt "waffen" verwendet hat.
Zu beginn des filmes tötet er ja in notwehr einen halunken, der sich an seiner frau vergreifen will. Er wird nicht freigesprochen, da er laut richter seinen körper als waffe benutzte und erschwerend hinzukommt, dass er darin ausgebildet wurde, dies zu tun. Das soll uns wohl sagen, dass der begriff waffe mehr umfängt als gegenstände aus metall, die in körper eindringen oder sie deformieren.
Wobei mich das jetzt an die verhinderte vergewaltigungsszene denken lässt. Dem vergewaltiger Johnny 23 (Danny Trejo) wird dann ja auch ein körperteil abgetrennt, das weiter von oben ins bild baumelt, während er selbst weggetragen wird.
Die vorgeschichte soll uns auch sagen, dass sich der hauptdarsteller eine gewisse potenz versagen muss. Um in ein glückliches eheleben einzutreten, muss er alle waffen ablegen. In der logik des films heisst das wohl auch die sexualität abzulegen. Die nächsten acht jahre isolation im gefängnis werden uns dann folgerichtig als glückliches eheleben gezeigt. Ohne konflikte und mit ständiger vorfreude aufs heimkommen.
Vielleicht steckt das auch im titel. Mit Con Air fliegen diejenigen, die nicht so handeln, wie es ihnen eigentlich entspricht. Diejenigen, die uns dadurch in sicherheit wiegen. Con Air - die, die es nicht tun.
Auch Larkin (John Cusack), der bessere der zwei polizisten, zeichnet sich dadurch aus, dass er es nicht tut und verhindert. Und ganz kitschig wird es, wenn sogar der kinderschänder Garland Greene (Steve Buscemi) ausnahmsweise darauf verzichtet, ein mädchen zu missbrauchen, das ganz opferbereit und alleine in der gegend herumsitzt. Obwohl er als der gefährlichste von allen vorgeführt wird, indem ihm jede handlungsfähigkeit durch eine spezialkleidung geraubt wird.
Die einzige gelungene szene im film ist die übernahme des flugzeuges durch die passagiere. Und hier beginn der gewaltausbruch mit dem hervorbringen von subkutan versteckten metallstiften oder nadeln, sowie eines verschluckten beutels. Was für eine metapher!
Dem strengen verbot in fremde körper einzudringen, sowie dem aufzeigen der grossen gefahr, die davon ausgeht, dass etwas aus dem eigenen körper hervorgebracht wird steht Baby O (Mykelti Williamson) gegenüber, der ohne insulininjektion (insulin shot) zu sterben droht. Ein weiterer beitrag zur klärung des begriffs waffe.
Ganz allgemein scheint mir der film eine verwirrung zum thema gewalt zu dokumentieren. Oder den versuch, sie für Hollywood neu zu definieren. Die aufgabenstellung war wohl, einen brutalen aktionsfilm zu drehen, der sich gleichzeitig als jede gewalt ablehnend verkaufen lässt.
Unsinnig ist nebenbei, dass einerseits das entführte flugzeug nicht abgeschossen wird, um ein paar vielleicht unschuldige sowie einige exekutivbeamte zu retten - wobei für letztere flugzeugentführungen ausserdem noch unter das berufsriskio fallen -, andererseits aber riskiert wird, dass ein flugzeug am Strip in Las Vegas notlandet. Wieviele tote ergäbe das wohl?
Für diejenigen, die es dann vielleicht doch noch nicht verstanden haben, werden die bösewichte im abspann fröhlich lächelnd zu heiterer musik präsentiert.