$Revision: 564 $ $Date: 2006-04-30 14:03:53 +0000 (Sun, 30 Apr 2006) $ $Author: telliogl $
    Godzilla
   
 

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here Godzilla


Eine Filmkritik von Horst Tellioglu

USA, 1998
Running Length:
USA 140, UK 138, AUS 133 min
Certification:
UK:PG / USA:PG-13 / Australia:PG / Germany:12 / Singapore:PG
Cast:
Matthew Broderick: Dr.Niko Tatopoulos
Jean Reno: Philippe Roche
Maria Pitillo: Audrey Timmonds
Directed by
Roland Emmerich
Written by
Ted Elliott and Terry Rossio
Music by
David Arnold (II)


IMDB

  1 Der Sinn des Lebens
  2 Ich glaube, dass Godzilla der "sinn des lebens" ist. Die große version eines fortune cookies. Dem sinn des lebens in die augen sehen. Eine verbindung herstellen zum unverstandenen. Seine vermehrung verstehen. Es widerwillig ablehnen -- wer hat zur lebenszeit schon zeit für dieses verstehen. Es vernichten, bevor es die ordnung der stadt durcheinander bringt.
  3 Und natürlich existiert Godzilla nicht. Und vor allem macht er keinen sinn. Seine entstehungsgeschichte ist, so wie er, absurd -- ohne bedeutung -- jedoch nicht ohne sinn.
  4 Die rolle der Franzosen: sie verstehen etwas vom essen und drinken. Was ja nicht unwichtig für die erhaltung des lebens ist. Nur der klügste unter den US-Amerikanern begreift, das es um nahrung geht: die fischberge. Das genießen im Überfluss ist nur scheinbar. Godzilla füttern heißt einen berg zu einem haufen machen.
  5 Die Franzosen sind auch schuld daran, dass wir versuchen Godzilla zu begreifen. Ihr geheimer dienst ist es, sich und uns des problems zu entledigen. Denn sinn zu beseitigen, Godzilla zu zerstören, ohne dass die US-Amerikaner etwas davon merken. Ihnen bei dem helfen, was sie sowieso tun, ohne dass sie auf die französische hilfe aufmerksam werden.
  6

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Natürlich wird in den USA der sinn mit Gott bestimmt. Die massenmedien, das heißt die Öffentlichkeit, sind zu dumm (moronic), um den namen des sinns richtig auszusprechen. Die unbestimmte japanische lautfolge gojira wird in ihrem mund rückgeführt auf das monistische und wiedererkennbare: Godzilla. Mit dem laut d wird der sinn in den namen eingeschoben. Aus dem japanischen liquida r wird, wie in einem schlechten witz, der doppelkonsonant ll. Godzilla erscheint als neuer gott, von menschlicher technologie erschaffen um von menschlicher technologie eingedämmt zu werden. Vielleicht einfach zu platt um lächerlich zu sein.
  7 Die journalistin Audrey Timmonds, die diese manipulation erkennt, ist erfolglos, da sie außerhalb des systems steht. Nur so kann sie ja erst die abweichung hören. Als sie anfängt mitzuspielen, begeht sie verwerflichste handlung ihres lebens. Doch wer könnte ihr lange böse sein. Sie ist blond und als solche nur teil des vorgegebenen. Welche kraft soll dagegen die in fotos beschworene liebe haben? Nur wer sich mit würmern beschäftigt und für die atomindustrie arbeitet, um das system von innen zu entlarven, kann an solche kräfte glauben.
  8 Japanern wird nachgesagt, dass sie technologien und kulturen kopieren, um sie zu perfektionieren. Nun ist Gojira ein echter Japaner, der von einem Deutschen in Hollywood nachgeahmt wird. Godzilla ist kein remake, heißt es, er basiert vielmehr auf der originalgeschichte. Das ziel Emmerichs war es immer, die bessere kopie zu machen. Kein einfaches nachahmen, sondern ein entgegenstellen des duplikats: Spielberg holt monster aus der vergangenheit und lässt sie wiederauferstehen. Emmerich dagegen vernichtet sie, denn nur wenige (wie der wurmmann) haben den mut, ihnen direkt ins auge zu sehen.
  9 Das ungeheure ist nicht mehr die natur, sondern das monströse. Das, was sich gegen die technik der natur aus der technik der menschen entwickelt hat. Aber natürlich: auch das ist natur. Godzilla ist der erste seiner art. Sie vermehrt sich geschlechtlos. Was durch abweichung entsteht, muss sich nicht monogam fortplanzen. Etwas durch krieg und mutation hervorbringen -- was ist das für eine elternschaft? Karl Marx schreibt: "Wahre wirkliche extreme wären pol und nichtpol, menschliches und unmenschliches geschlecht. Der unterschied ist hier ein unterschied der existenz, dort ein unterschied der wesen, zweier wesen" (Marx, p.293).
  10 Godzilla ist so ein wirkliches extrem. Es ist weder zweigeschlechtlich noch eingeschlechtlich oder geschlechtlos -- was dasselbe wäre --, sondern ungeschlechtlich und agam. Er ist durch einen eingriff entstanden. An seinem ursprung steht eine explosion, deren kraft nicht nur ihn, sondern reihen von nachkommen hervorbringt, deren vermehrung exponentiell erfolgt. Was durch eine einmalige spaltung des unteilbaren ausgelöst wurde, kann sich nun selbst erhalten. Aus der todbringenen vernichtungskraft der japanischen version, wird die testweise freigesetzte energie des schlechten gewissens.
  11 Vor der vernichtung gibt es einen schönen moment der unsicherheit: die jungen schlüpfen und wir wissen nicht, ob sie die menschen als ihre eltern annehmen werden.
  12 Das Erhabene und das Pathetische
  13 Godzilla ist das erhabene, denn "erhaben ist das, mit welchem in vergleichung alles andere klein ist" (Kant, p.171). Er ist eine singularität, eine größe, die nur sich selbst gleich ist. Er tritt aus den stürmen hervor. Wenn es nicht regnet, ist es nacht. Size matters, denn das wohlgefallen ist mit der vorstellung der quantität verbunden.
  14 Auch die frage nach dem sinn wird durch das erhabene hervorgerufen, da dieses das gefühl einer augenblicklichen hemmung der lebenskräfte und der darauf sogleich folgenden desto stärkeren ergießung derselben bewirkt (Kant, p.165). Im moment des gegenübertretens können wir nicht mehr mutig oder feige sein. Wir müssen indifferent werden, wo sich das ereignis aufhält und an seiner furchtbaren unerschütterlichkeit teilhaben (Deleuze, p.132).
  15 Die natur wird durch atomkraft und genmanipulation zur kunst. Die technik des menschen ist gegen die technik der natur gestellt. Godzilla ist nicht das schöne der gesetzmäßigkeit in der natur, sondern das erhabene, dessen grund allein in uns liegt. Die ideen des erhabenen sind von einer zweckmäßigkeit der natur ganz abgetrennt (Kant, p.167).
  16 "Ungeheuer ist ein gegenstand, wenn er durch seine größe den zweck, der den begriff desselben ausmacht, vernichtet" (Kant, p.175). Das erhabene übersteigt das vor- und darstellungsvermägen. Godzilla darf -- wie sexualität -- nie ganz im bild sein, um sich nicht der lächerlichkeit preis zu geben. Es kommt -- wie Kant schreibt -- darauf an, den richtigen abstand zu den pyramiden zu finden, um von ihrer größe gerührt zu sein.
  17 Was darstellbar bleibt, ist das auge. Es lässt etwas dahinterliegendes, überdimensioniertes erahnen: das licht.
  18 Literatur:
  • Karl Marx, Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie, In Marx Engels Werke I, Berlin (1983)
  • Immanuel Kant, Kritik der Urteilskraft, Frankfurt am Main (1963)
  • Gilles Deleuze, Logik des Sinns, Frankfurt am Main (1993), Original: Logique du sens, Les Éditions de Minuit, Paris 1969
© 1998
Horst Tellioglu