CineText PolitiKino 6-9
   
  politikino 6-9 5.2.1997
   
 

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politikino 6-9

politikino 1-5

März bis Juni 1997

Die Mauer fiel - ein neoliberaler Kapitalismus blieb über und im Diskurs und im Handeln machte sich eine merkwürdige Mutlosigkeit breit. "Kommunismus" und "Sozialismus" sind seither verba non grata und die Utopien verstauben in Archiven. Die zweite Sequenz von PolitiKino bringt nun Filme zu politischen Ereignissen, welche linke Positionen in unserem Jahrhundert wesentlich bestimmen: Faschismus und Exil einerseits, und die Schauprozesse in den realsozialistischen Ländern - deren Experiment in autoritären und patriarchalen Strukturen stecken blieb - andererseits. Wieder ergehen von der Geschichte her Fragen ans Kino - und vom Kino her Fragen an die Geschichte. Denn das Kino hört nicht auf Möglichkeitsräume zu fabrizieren. Jenseits einfacher Historisierung werfen die Filme die Frage nach dem Status der Utopien auf - und einer zeitgenössischen "Ästhetik des Widerstandes", die weder nostalgisch noch geschichtsvergessen wäre.

Eine Veranstaltung des ÖH Kulturreferates, des Renner-Institutes
und der Gruppe KINOKI in Kooperation mit dem Votiv Kino.

Konzept/Organisation: Peter Grabher, Michaela Englert, Tina Leisch

  politikino 6

NOEL FIELD - DER ERFUNDENE SPION

So 9.3./12h/Votiv Kino

Werner Schweizer NOEL FIELD - DER ERFUNDENE SPION
Schweiz 1996. Mit Hermann Field, Rosa Demeter,
Erica Wallach-Glaser u.a. Prod.: Dschoint Ventschr, 104 Min.
(Wiederh. 16.3./12.30h/Votiv Studio)

Der Amerikaner Noel Field ist eine Schlüsselfigur der Schauprozesse in Osteuropa. Er war selbst von 1949 bis 1955 in Geheimhaft, blieb aber nach seiner Freilassung in Ungarn. Der Dokumentarist Werner Schweizer befaßt sich seit den 70ern "obsessiv" mit der Biographie dieses Mannes, dessen Geschichte einen intensiven Blick auf die Geschichte der Sowjetunion, des Kalten Krieges und der McCarthy-Ära erlaubt. Nach aufwendigen Archiv-Recherchen und Interviews entstand ein Polit-Thriller, der einen Fall wiederaufnimmt, der filmisch bereits von Constantin Costa-Gavras und Chris Marker bearbeitet wurde. "Auch dieser jüngste Versuch einer dokumentarischen Rekonstruktion der Ereignisse wirft vielleicht Licht auf die Gegenwart, von der aus dieser begonnen wird." (Max Berger)

Gespräch mit Helene Maimann Historikerin, Journalistin, ORF-Redaktion "Zeitgeschehen"

  politikino 7

TAGEBUCH-TRILOGIE

13.4./12h/Votiv Kino

Márta Mészáros TAGEBUCH-TRILOGIE
1. Tagebuch für meine Kinder (Ungarn 1982, 110 Min.) - 13.4./12.00h
2. Tagebuch für meine Lieben (Ungarn 1987, 140 Min.) - 20.4./12.30h
3. Tagebuch für meine Eltern (Ungarn 1990, 114 Min.) - 20.4./14.30h
Mit Zsuzsa Czinkóczi, Jan Nowicki, Mari Töröcsik u.a.

Aus der Sicht des Mädchens Juli wird die Zeit des ungarischen Stalinismus geschildert, von den Entwicklungen der unmittelbaren Nachkriegszeit bis zur ungarischen Revolution, die im November 1956 durch eine militärische, sowjetische Invasion niedergeschlagen wurde. Julis steht dabei zwischen Magda, der prinzipientreuen Genossin und Offizierin der Staatssicherheit und János, der sie an ihren verschollenen Vater erinnert und als Streikführer und Oppositioneller ständig in Gefahr schwebt. Der dreiteilige Film erzählt autobiographisch - indem er dokumentarisches und fiktives Material mischt - ein Frauenleben auf der Folie einer kollektiven Geschichte, mit der es untrennbar verknüpft ist: Eine Geschichte hoffnungsvoller Begeisterung, die im Prozeß der Bürokratisierung entäuscht wird und in allgemeinem Mißtrauen endet.

Gespräch (zum ersten Teil) mit Radostina Patulova Philosophin und Übersetzerin

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EMIGRATION, N.Y.

So 11.5./12h/Votiv Kino

Egon Humer
EMIGRATION, N.Y. Die Geschichte einer Vertreibung
Teil 1: Von Europa nach Amerika
Teil 2: Europa in Amerika
Österreich 1995
(Wiederh. 16.3./12.30h/Votiv Studio)

Egon Humer hat zwölf ehemalige Österreicher jüdischer Herkunft in New York besucht. Die Gespräche, die er mit ihnen geführt hat, bilden die Basis von Emigration, N.Y. Sieben Frauen und fünf Männer erinnern sich in beiden Teilen des Films an Leben und Kindheit in Österreich, an die existentielle Bedrohung nach dem An-schluß, den Verlust von Eigentum, den Kampf um die Ausreise, die Mühen der meist odysseehaften Transits bis zur Ankunft in einem fremden Land, in dem nicht nur die Sprache fremd war, an die Not und Selbstzweifel des Flüchtlingsdaseins, an das Weiterleben, das oft unter dem Wissen stand, daß die zurück-gebliebenen Angehörigen verfolgt und ermordet worden waren. Sie berichten von ihrer Suche nach einer neuen Identität, ihren Erinnerungen, Ängsten und Hoffnungen, die sie bei späteren Reisen in ihre "Heimat" erlebt hatten. Fast alle der Interviewten waren zum Zeitpunkt der Flucht Kinder oder Jugendliche. Die (erinnerte) Kinderperspektive, aus der die damaligen Ereignisse geschildert werden, prägt den Film und definiert das Phänomen der Emigration aus einer neuen Sichtweise.

Gespräch mit Egon Humer und Amos Vogel (angefragt)

Emigration, N.Y. Quelle: �sterreichisches Kulturinstitut in N.Y.

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LE TOMBEAU D´ALEXANDRE
(Der letzte Bolschewik)

So 8.6./12h/Votiv Kino

Chris Marker LE TOMBEAU D´ALEXANDRE (Der letzte Bolschewik)
Frankreich 1993. Mit Marina Goldowskaja, Lew Roschal, Jakow Tolschan, Rhona Campbell u.a. Prod.: Michael Kustow, Les Films de l´Astrophore.
100 Min., Video, OFmdtKommentar
(Wiederh. 15.6./12.30h/Votiv Studio)

Chris Markers zweites Portrait über den sowjetischen Filmemacher Alexander Medwedkin (1900-1989) ist eine Hommage (die zweite Bedeutung des Wortes "tombeau") an den im Jahr des Mauerfalls verstorbenen Freund - und zugleich eine beeindruckende - auf Video gedrehte - Hommage ans Kino, eine Reflexion über den Zerfall der Sowjetunion und schließlich ein Film über Marker selbst: "Denn er legt sich Rechenschaft ab über den Stand seiner Utopien an der Schwelle zum 21. Jahrhundert, zu einem Zeitpunkt, da die Linke mit ihrer eigenen Geschichte aufräumt." (Thomas Tode) In der subjektiven Form eines Filmbriefes und avancierte Mittel der Videotechnik verwendend, setzt Marker seine Befragung der Geschichte fort, welche seit den 50ern - von der Arbeit in der Gruppe "Medvedkine" im Pariser Mai `68 über "Sans Soleil" (1982) - nie aufgehört hat.

Gespräch mit Heidemarie Müller-Riedlhuber Film- und Literaturwissenschaftlerin, freie Übersetzerin und Journalistin